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Peterson/Webster NDR Jazzworkshop 1972: wie Mastering ein Konzert völlig verändert
Gestern spät abends sah ich mir das Konzert von Oscar Peterson und Ben Webster im Rahmen des NDR Jazzworkshops 1972 an (Oscar Peterson – piano; Ben Webster – tenor saxophone; Niels-Henning Ørsted Petersen – bass; Tony Inzalaco – drums) und war richtig begeistert:
Einem befreundeten Jazz-Fan schrieb ich: „Oscar Peterson führt als Leader und spielt gut gelaunt irre schnelle Soli. Kongenial Niels-Henning Ørsted Petersen am Bass, ergänzt Petersons Soli perfekt und locker. Unbedingt anhören!“ Schlagzeuger Tony Inzalaco fügt sich gut ein und drängt sich mit kurzen Soli nicht auf. Entsprechend ist auf die Bühnenaufstellung: Vorne zentral Peterson mit seinem Klavier, man sieht auf die Tastatur und seine Hände. Dahinter direkt neben dem Klavier Petersen mit dem Bass, links dahinter das Schlagzeug. Ben Webster sitzt bei einem seiner letzten Auftritte links vor dem Schlagzeug etwas im Hintergrund und wirkt wie ein Gast, als er als letzter auf die Bühne kommt. Sein Saxophon wirkt ergänzend und setzt Soloakzente. Der Ton setzt die Bühnenaufstellung nachvollziehbar um. Das Klavier von Peterson dominiert alle Instrumente und man hört und sieht alle Feinheiten seines Spiels. Petersens Bass wird gleich präsent und detailliert wiedergegeben wie Petersons Klavier, das Saxophon von Webster bleibt fein aber nicht dominant. Gut hörbar aber ein wenig mehr in der begleitenden Rolle ist das Schlagzeug.
Warum führe ich das derart detailiert aus? Weil ich mir heute die CD dieses Konzerts (gibt es z.B. bei Qobuz) auf unserem kiss streamer anhörte in der Annahme, dass die sicherlich bessere Klangqualität der CD mich den Musikern noch näher bringt würde…
Zu meinem großen Erstaunen wurde aus diesem begeisternden Konzert auf CD ein ganz anderes Konzert: Webster wurde akustisch in die Mitte gesetzt und zum Leader erkoren. Oscar Peterson und Ørsted Petersen sind deutlich leiser und links hinter Webster plaziert. Das Klavier ist in die Begleiterrolle reduziert worden und Feinheiten von Petersons Spiel kaum zu erahnen. Der Bass ist einen Hauch lauter als das Klavier, kann so aber Ørsted Petersens Performance ebenfalls nicht vermitteln. Das Schlagzeug befindet sich rechts und ist deutlich präsenter als Bass und Klavier. Für Webster-Fans wurde auf diese Art ein Konzert mit Webster als Leader mit der Rhythmusgruppe Peterson/Peterson/Inzalaco geschaffen. Das gibt der Part von Webster in diesem Konzert aber nicht her, das tolle Konzert wird so zu einem belanglosen Auftritt von zwei alternden Superstars. Völlig seltsam ist auch, dass das Publikum nicht zwischen die Lautsprecher gemischt wurde, sondern links neben Klavier und Bass applaudiert.
Take home points:
Überraschend, was man im Studio alles (kaputt) machen kann. Nicht nur tonal. Nein, man kann ein mitreissendes Konzert von jeglichem Leben und Charme befreien.
Live-Konzerte werde ich in Zukunft eher als Video ansehen, egal, in welchem Format der Ton vorliegt. 192 kHz/ 24 bit hätten diesen Mix auch nicht retten können.
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