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Lautsprecher für Klassik oder Rock?! – Ein Interview.

Unser Gast ist Herr Dr. Johann Pfennich von Crayon Audio.

Herr Dr. Pfennich, Sie entwickeln Lautsprecher speziell für klassische Musik. Warum ist das notwendig?

Dr. Pfennich: Es geht um Spezialisierung, wenn die Ansprüche steigen, muss man spezialisieren. Nehmen wir zum Beispiel das Fahrrad. Es hat früher die Unterscheidung Damen- und Herrenrad gegeben, dann kam das 10-Gang-Rennrad, inzwischen gibt es für jeden Bedarf eine spezielle Lösung, mit einem Downhill-Bike kann man nur zur Not einen Berg hinauffahren oder eine Tour fahren etc.

Eine Lautsprecherbox sollte Spezialist für alles sein, ist das überhaupt möglich?

Dr. Pfennich:: Beginnen wir mit der klassischen Musik. Es werden nur Naturinstrumente und Naturstimmen verwendet. Jeder Klassikhörer, der in Konzerte oder Opern geht, weiss wie ein Klavier oder eine Geige klingt. Die Aufnahmen werden in gut klingenden Räumen gemacht und im Ganzen, das ganze Orchester, mit einer Onepoint- oder Multimikrofon-Technik.

Die Aufnahmetechnik in der U-Musik ist anders und auch das Ziel. Im Aufnahmestudio werden einzelne Instrumente und Stimmen getrennt aufgenommen und danach zusammengemischt. Es wird mit Sounds, Effekten und künstlichem Hall etc. experimentiert. Der Klang („Sound“) und die räumliche Abbildung sind ein maßgeblicher Bestandteil des Gesamtkunstwerks. Viele berühmte Sänger und Bands vertrauen auf ihre speziellen Soundingenieure.

Welche Anforderung an eine Lautsprecherbox ergeben sich durch die Klassik?

Dr. Pfennich: Der Bass muss sehr tief hinunter gehen. Eine Bassgeige kann 30 Hz, eine Kirchenorgel bis 16 Hz, dafür aber nicht besonders laut. Die Oberwellen einer Bassgeige bei 30 Hz sind 60 Hz, 120 Hz dann 240 Hz und 480 Hz und so weiter. Diese Oberwellen bestimmen die Klangfarbe des Instruments. Bei einen 3-Weg-Lautsprecher, wo das Basschassis für den Bereich bis 400 oder 500 Hz zuständig ist, muss dieses Basschassis schon die ganze Klangfarbe des Instruments wiedergeben können. D.h. der Bass sollte ein geringes Membrangewicht haben und weich eingespannt sein, kurzum, er muss Mitteltönerqualitäten haben.

Der Mitteltonbereich ist für fast alle Instrumente zuständig und es gilt das gleiche wie beim Bass. Die Membran sollte sehr leicht und durch kleinste Impulse ausgelenkt werden können. Er darf auch keine Fehler muss außerhalb seines Frequenzbereiches im Bass und Höhenbereich machen, d.h. dort ebenfalls sehr linear sein.

Der Hochtöner sollte zumindest bis 8000 Hz sehr klirrarm sein. Klirren bedeutet, dass zum Signal Oberwellen hinzugefügt werden, die in der Aufnahme nicht vorhanden sind. Im Hochtonbereich sammeln sich die Oberwellen der Instrumente, wenn da noch etwas dazukommt, kann es sein, dass bespielsweise eine Geige nicht nach Geige klingt. Ähnlich wie der Bass braucht der Hochtöner keine hohen Pegel wiedergeben können.

Die Weiche sollte möglichst phasenrichtig arbeiten. Je genauer die Phase stimmt, umso tiefer hört man den Raum der Konzerthalle. Alle Reflexionen von den Wänden des Aufnahmeraums, die Auskunft über die Dimensionen geben, werden bei Phasenproblemen als Störungen wahrgenommen.

Wie verhält sich das bei einem Lautsprecher für Rock- und Pop-Musik?

Dr. Pfennich: Der Bass muß nicht sehr tief reichen, weil E-Gitarren und Bassdrum bei 60 Hz anfangen, dafür muss der Bass fast dominant und absolut pegelfest sein, weil der Groove und der Drive mitreißen müssen. Der Bereich von 80 bis 120 Hz kann durchaus lauter sein als die restliche Box, den Bass sollte man spüren können, in der Magengrube, die Hosen sollten flattern.

Der Mitteltonbereich sollte leicht abgesenkt sein (Badewannenabstimmung), er lenkt sonst vom Bass ab. Ein zu lauter Mitteltonbereich kann den Bass sogar zudecken. Sängerinnen mit ihren oft sehr charakteristischen Stimmen muss man unbedingt gut heraushören, deshalb wird zwischen 4000 und 6000 Hz leicht angehoben. In diesem Frequenzbereich sind die Oberwellen einer kreischenden Frauenstimme. Der Hochtonbereich muss Zischen und Schneiden können, weil das die Aufnahmen erfordern und damit Erinnerungen an das letzte Rockkonzert wach werden.

Wie schaut es mit anderen Musikstilen aus?

Dr. Pfennich: Für den Jazz eignet sich eher eine Klassikabstimmung und es hängt der Musiksammlung ab, in welche Richtung die Lautsprecher abgestimmt werden sollten. Bei 70% Klassik 30% Jazz ergibt sich erfahrungsgemäß eine reine Klassikabstimmung, bei 70% Jazz und 30 % Klassik sollte man eher eine Abstimmung zwischen Klassik und Rock einsetzen, hier ist man recht flexibel, solange die Abstimmung nicht zu extrem ist. Diejenigen die alles hören, müsste man fragen, wie oft sie Konzerte, die Oper oder ein Rockkonzert besuchen oder ob vorwiegend die Musikanlage den Ton angibt. Liegt die Priorität auf der räumlichen Abbildung oder auf dynamischer Wiedergabe mit richtig Punch? Aufbauend auf diesen Informationen könnte man auch dafür einen speziell geeigneten Lautsprecher entwickeln.

Zusammenfassend kann man festhalten: Ein Klassikhörer wird mit einer Rockbox nicht glücklich, ein Rocker wird mit einer Klassikbox einschlafen.


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